Gerhard Schlötzer

Stadtmauer

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ließen Generationen von Bamberger Bischöfen Forchheim zur südlichen Festungs- und Garnisonsstadt des Hochstifts Bamberg ausbauen. Im späten 19. Jahrhundert wurden zwei Drittel der Festungsmauern geschleift und das meiste freiwerdende Gelände mit Straßen und Häusern bebaut. Als ich 13 oder 14 Jahren war, musste meine Mutter oft mit dem Mittagessen warten, während ich nach Schulschluss mit dem Fahrrad den vermuteten Verlauf der ehemaligen Stadtmauer abfuhr. Ich wollte herausfinden, welche Häuser man abreißen müsste, um die verschwundenen Festungsanlagen mit den Toren, den Vorwerken und dem südlichen Wasserschloss wieder aufbauen zu können und was das wohl kosten würde.

Das ehemalige LULI-Kino – ich kannte es nur als Tengelmann – steht noch heute in der Wallstraße, wo seit 140 Jahren kein Wall mehr ist. Ein Gebäude das, ähnlich wie die Stadtmauer, gebaut wurde, um ein Innen vom Außen scharf zu trennen: Hier das Dunkel vom störenden Sonnenlicht, dort die Bewohner von den Angreifern. Beide Funktionen sind obsolet, die Gebäude jedoch, soweit sie erhalten sind, haben durch ihre erratische Form das Potential, identitätsstiftend zu wirken; zumindest die Mauern, denen die Forchheimer ihren Schmähnamen „Mauerscheißer“ verdanken. Er blieb ihnen, obwohl der Großteil der Mauern verschwunden ist. Ich werde auf die Außenwände des ehemaligen LULI Kinos Ausschnitte der Grundrisse des zerstörten Stadtmauerverlaufs in Schwarz und Grau malen, überlagert mit den heutigen Straßen- und Häuserstrukturen in Rot.

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